Bienen und Gentechnik

Honigbienen liefern nicht nur Honig und Wachs, sondern sind vor allem unersetzliche Bestäuber. So sind in Deutschland etwa 80 Prozent der Nutz- und Wildpflanzen auf Wild- und Honigbienen sowie andere Insekten als Bestäuber angewiesen. Bei vielen Nutzpflanzen, bei denen auch der Wind die Pflanzen bestäubt, steigert die Insektenbefruchtung den Ertrag1. Die Universität Hohenheim bezifferte den volkswirtschaftlichen Wert dieser Bestäubungsleistung der deutschen Imker und ihrer Bienen auf 1,6 Milliarden Euro2.

Gleichzeitig sind die Honigbienen bedroht. Geschwächt durch Pestizide, Schädlinge und mangelndes oder einseitiges Nahrungsangebot sterben jeden Winter zahlreiche Völker. Nun versprechen Gentechniker Abhilfe. Sie wollen durch gentechnische Manipulationen schädliche Parasiten wie die Varroamilbe abtöten. Mit der dabei angewandten Technik könnten die Bienen auch widerstandsfähiger gegen Pestizide in der Agrarlandschaft gemacht werden. Ihre Effizienz beim Honigsammeln ließe sich ebenfalls steigern, behaupten die Gentechniker.

Mit Gentechnik gegen Varroa-Milben

Das Genom der Biene mit seinen knapp 11.000 Genen wurde zwischen 2004 und 2006 entschlüsselt3. Seither haben sich zahlreiche Wissenschaftler mit diesen Genen beschäftigt, insbesondere mit denen, die das soziale Verhalten der Tiere steuern. Mit der Entwicklung der Gen-Schere Crispr/Cas stieg auch das Interesse, gezielt Gene der Bienen zu verändern. Am weitesten fortgeschritten sind bisher die Arbeiten von Wissenschaftlern der Universität von Texas in Austin. Sie setzten nicht bei den Genen der Biene an, sondern wählten einen Umweg: die so genannte RNA-Interferenz (RNAi).

RNA steht für Ribonukleinsäure, ein DNA-ähnliches Molekül mit verschiedenen Funktionen. So kann die RNA genetische Information übertragen und dafür sorgen, dass aufgrund dieser Information Proteine gebildet werden. Andere RNA-Moleküle regulieren die Aktivität von Genen und können diese an- oder abschalten.

Die texanischen Gentechniker veränderten ein Bakterium, das im Darm der Bienen vorkommt, derart, dass es bestimmte RNA-Moleküle produzierte. Sie besprühten die Bienen eines Versuchsstocks mit einer Zuckerlösung, welche die genmanipulierten Bakterien enthielt. Weil sich die Honigbienen daraufhin gegenseitig putzten und leckten, gelangte die Lösung samt der Mikroben in die Tiere. Über deren Körperflüssigkeit wurde die produzierte RNA von den saugenden Varroa-Milben aufgenommen und legte dort bestimmte lebenswichtige Gene still. Die Milben starben ab.

Durch saugende Milben kann schon mit dem ersten Biss das Krüppelflügelvirus in die Bienen gelangen, ein für sie oft tödlicher Krankheitserreger. Um die Bienen dagegen widerstandsfähiger zu machen, wurden weitere Darmbakterien so manipuliert, dass sie eine RNA-Sequenz ausstoßen, die das Immunsystem der Bienen in einen dauerhaften Alarmzustand versetzt.

Die Originalarbeit        Die Mitteilung der Universität dazu

Patentierte Bienen

Die Wissenschaftler erprobten das Verfahren an einigen 100 Bienen – und meldeten es zum Patent an. Laut der Patentschrift zielt eine weitere mögliche Anwendung des Verfahrens darauf ab, den Abbau von Pestiziden im Körper der Bienen zu beschleunigen und sie dadurch widerstandsfähiger gegen die Gifte zu machen. Auch soll mit dem neuen Gentechnik-Verfahren das Verhalten der Bestäuber beeinflusst werden. Der Patentanspruch umfasse nicht nur die Bakterien, sondern auch die Bienen sowie alle anderen Insekten, in deren Darm die Gentechnik-Bakterien zu finden seien, schrieb das Institut Testbiotech4.

Riskanter Eingriff ins Ökosystem

Die Professorin Nancy Morgan von der Universität von Texas hält das das Risiko, dass die manipulierten Bakterien in die freie Wildbahn entweichen und andere Insekten infizieren könnten, für gering. Die verwendeten Bakterienarten seien hoch spezialisiert, könnten außerhalb des Bienendarms nicht lange überleben und zielten auf einen Parasiten, der nur Bienen befällt.

Der Bienenforscher Professor Randolf Menzel geht dagegen davon aus, dass die Bakterien sehr wohl auf andere Völker übertragen werden könnten, da sich Bienen zwischen Völkern verfliegen können. „Da Bakterien außerordentlich schnell mutieren, lässt sich auch nicht ausschließen, dass diese Bakterien die Wirkungen auf andere Tiere und den Menschen übertragen, wenn diese die Bakterien aufnehmen“, sagte Menzel dem Science Media Center5. Auch könnten die Bakterien von anderen Insekten aufgenommen werden. Die Auswirkungen seien nicht vorhersehbar. „Aus diesen Gründen halte ich die Anwendung dieser Methode außerhalb des Labors für nicht verantwortbar“, sagte Menzel.

Sein Kollege Robert Paxton steht dem Ansatz der Texaner grundsätzlich positiv gegenüber. Er plädierte gegenüber dem Science Media Center für umfangreiche Tests: „Ich denke, wir brauchen einige strenge empirische Studien in geschlossenen Systemen mit großen Honigbienenvölkern, die mit GVO-Bakterien gefüttert werden, um zunächst zu prüfen, ob Gene entweichen können, bevor der Ansatz, so vielversprechend er auch sein mag, im Feld eingesetzt wird.“ Allerdings funktioniere der Ansatz nur, bis Varroa oder das Krüppelflügelvirus eine Resistenz gegen die Designer-RNA entwickelt hätten.

Eine weitere Gefahr, die Robert Paxton und andere Wissenschaftler sehen: Die Darmbakterien könnten ihre künstlichen Gene an andere Bakterien weitergeben. Würde dies passieren, könnte das wiederum zu einer Vernichtung nützlicher Milben führen, die etwa in Gewächshäusern verwendet werden, um Schädlinge zu bekämpfen.

Die Grundsatzfrage: Wer muss sich anpassen?

Um auf die mit gentechnischen Eingriffen bei Bienen verbundenen Risiken und Nebenwirkungen aufmerksam zu machen, hat die Aurelia Stiftung die Petition ‚Schützt die Biene vor Gentechnik’ gestartet. Für Projektleiter Bernd Rodekohr hat das Thema neben den Risiken noch eine weitere Dimension. Er sieht in den angedachten gentechnischen Eingriffen den Versuch, das Nutztier Biene an die Bedingungen der Agrarindustrie anzupassen, sie systemgerecht zu machen. „Nicht die Biene muss verändert werden, sondern unser Verhalten muss sich ändern“, hält Rodekohr dagegen: „Statt pestizidresistenter Bienen brauchen wir endlich eine echte Agrarwende mit vielfältiger, nachhaltiger, bäuerlicher Landwirtschaft ohne Ackergifte.“ Schließlich gebe es neben der Honigbiene noch 560 Wildbienenarten und zahlreiche andere bestäubende Insekten, von denen viele durch die intensive Landwirtschaft mit ihrem hohen Pestizideinsatz akut gefährdet seien.

Zuletzt aktualisiert: Juli 2020

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