Wir nehmen Datenschutz ernst!
Unsere Seiten nutzen in der Grundeinstellung nur technisch-notwendige Cookies. Inhalte Dritter (YouTube und Google Maps) binden wir erst nach Zustimmung ein.
Cookie-Einstellungen | Impressum & Datenschutz
Baumwolle ist die wichtigste pflanzliche Textilfaser und wird auf knapp drei Prozent der weltweit landwirtschaftlich genutzten Fläche angebaut. Auf 33 Millionen Hektar (das entspricht fast der Größe Deutschlands) wachsen Baumwollpflanzen, rund 75 Prozent davon sind gentechnisch verändert. Von den jährlich geernteten gut 25 Millionen Tonnen Baumwolle stammt ein Prozent aus biologischem Anbau. Gentechnisch veränderte Baumwolle wird weltweit in 18 Ländern genutzt. An der Spitze liegen Indien, die USA, China und Pakistan. (Stand 2019, ISAAA)
Zahlen zum Baumwollanbau des US-Landwirtschaftsministeriums, 9/22
Zahlen zum Bio-Anbau von Baumwolle von 2020
Die Nachfrage nach Baumwolle ist in den letzten 20 Jahren um 40 Prozent gestiegen, während die Anbauflächen gleich blieben. Sie wurden also immer intensiver bewirtschaftet. Das Angebot ist großen Schwankungen unterworfen, da Trockenheiten und Überschwemmungen in den Anbauländern die Ernten erheblich beeinträchtigen können. Entsprechend stark schwankten in den letzten Jahren die Preise. Die durch den Klimawandel verursachten Extremwetter machen den Anbau immer schwieriger: Ohne Regen nach dem Aussäen und vor allem während der Blüte kann sich die Baumwolle nicht entwickeln. In der Reifezeit dagegen muss es ganz trocken sein, damit die Kapseln in der richtigen Qualität reifen können.
Baumwolle wird von Kleinbauern auf Feldern mit einem Hektar ebenso angebaut wie von großen Farmen in riesigen Monokulturen. In beiden Fällen werden (außer beim Bio-Anbau) Pestizide eingesetzt und Felder künstlich bewässert – mit entsprechen-den Folgen. Hinzu kommen soziale Auswirkungen, da der Preis oft nicht für existenzsichernde Löhne und Einkommen reicht.
Die Erträge im Baumwollanbau hängen stark davon ab, ob die Felder bewässert werden können oder die Bauern vom Regen abhängig sind. Die Beregnung im Wüstenklima bringt die konstantesten Ernten, weil die witterungsbedingten Schwankungen so am besten ausgeglichen werden können. Allerdings werden dann für ein Kilo Rohbaumwolle 8500 Liter Wasser benötigt. Prominentestes Beispiel für die ökologischen Folgen ist der zentralasiatische Aralsee, der durch den intensiven Baumwollanbau weitgehend trockengelegt wurde; die beregneten Flächen versalzen, Trinkwasser fehlt.
Die Baumwollpflanzen sind sehr anfällig gegenüber Schädlingen und werden deshalb im konventionellen Anbau bis zu zwanzig mal gespritzt. Nach Berechnungen des Pestizid Aktions-Netzwerkes Großbritannien (PAN UK) von 2018 entfallen auf den Baumwollanbau 16 Prozent der weltweiten Umsätze mit Insektiziden und vier Prozent der Herbizidumsätze. Die meisten Kleinbauern in tropischen Ländern können sich keine Schutzausrüstungen leisten und bringen die Pestizide mit einfachen Rückenspritzen aus. Viele können die Warn- und Sicherheitshinweise nicht lesen. In Erhebungen von PAN UK von 2022 hatten 42 Prozent der befragten Baumwollbauern und Landarbeiter in den letzten zwölf Monaten akute Pestizidvergiftungen erlitten. Darunter waren zahlreiche schwere Fälle mit bleibenden Schäden wie Zittern, Lähmungen oder Sehschwäche. Hinzu kommen Vergiftungen in den Familien, etwa weil Kinder aus Pestiziddosen Wasser trinken.
PAN UK: Is cotton conquering its chemical addiction, Juni 2018
PAN UK: Tackling pesticide poisoning in cotton, Juni 2022
Der größte Teil der Baumwolle wird von Kleinbauern in ärmlichsten Verhältnissen erzeugt. Wie bei anderen Agrarrohstoffen, etwa Kakao in Westafrika, zwingt die Armut Familien dazu, auch die Kinder arbeiten zu lassen. Denn der gezahlte Preis reicht nicht, um zusätzliche Helfer zu bezahlen. In größeren Betrieben ernten oft Wanderarbeiterinnen mit ihren Kindern die Fasern mühsam mit der Hand. Auch in der Herstellung von Baumwollsaatgut sind viele Kinder beschäftigt, allein in Indien eine halbe Million, laut einer Studie von 2015.
Um genug zum Leben zu verdienen, produzieren die Bauern immer intensiver. Sie setzen mehr Dünger und Pestizide ein, greifen immer häufiger zu gentechnisch veränderter Baumwolle, verstärken die Bewässerung und weiten den Anbau auf ungeeignete Standorte aus. Diese Faktoren führen zu massiven Schädigungen der Umwelt:
Rund 75 Prozent aller weltweit konventionell angebauten Baumwollpflanzen sind mittlerweile gentechnisch verändert. In deren Erbgut wurden Gene des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis eingeschleust. Dadurch produzieren diese Bt-Pflanzen ein Insektengift, das den Hauptschädling im Baumwollanbau, den Bauwollkapselbohrer, abtöten soll. Die Raupen des Baumwollkapselbohrers fressen an der Bt-Baumwolle und sterben dann ab. Immer mehr Bt-Baumwolle ist zusätzlich noch gegen ein oder zwei Pestizide resistent, meist gegen Glyphosat.
Die Bt-Baumwolle wurde mit dem Versprechen verkauft, dass dadurch viel weniger Insektizide gebraucht würden. Tatsächlich gingen die Zahlen anfangs zurück, stiegen dann aber wieder drastisch an. Das hatte mehrere Gründe:
Die Bt-Baumwolle hat noch weitere Folgen:
Indien ist neben den USA das Land mit dem höchsten Anteil gentechnisch veränderter Baumwolle. 2002 wurde dort zum ersten Mal Bt-Baumwolle angebaut. Der Anbieter Monsanto (heute Bayer) versprach den Kleinbauern steigende Gewinne und damit einen Ausweg aus Armut und Verschuldung. Ob die Bt-Baumwolle diese Versprechen halten konnte, ist bis heute höchst umstritten. K.R. Kranthi, langjähriger Direktor des indischen Baumwoll-Instituts, kam 2020 zu dem Ergebnis, dass die Bt-Baumwolle die Landwirtschaft kapitalintensiver gemacht habe, den Bauern unter dem Strich jedoch nichts gebracht habe. Der erhöhte Kapitalbedarf für Mineraldünger, Insektizide und das Bt-Saatgut macht die meist armen und verschuldeten Bauern extrem anfällig. Dies gilt vor allem in Gebieten, wo die Felder nicht bewässert werden, und die Bauern auf den immer unzuverlässiger werdenden Monsunregen angewiesen sind. Immer noch treibt die Schuldenspirale jedes Jahr Tausende indischer Kleinbauern in den Selbstmord.
taz: Suizid-Krise in Nordindien: Der Preis der Pestizide (13.06.2019)
Infodienst: Bt-Baumwolle in Indien schmeckt den Insekten weiterhin (20.03.2020)
Infodienst:Studie: Gentech-Baumwolle in Indien gescheitert (28.11.2023)
Geographen der Universität Göttingen haben die Erfahrungen von Kleinbauern im indischen Bundesstaat Telangana gesammelt und berichten darüber in einem Interview mit dem Gen-ethischen Netzwerk.
Zur Studie
Zu den prominentesten Vertreter*innen der 'Bt-Baumwolle bekämpft Armut'-These zählt der deutsche Agrarökonom Matin Qaim, hier mit einer Auswahl seiner Publikationen.
Schlechte Erfahrungen mit der Bt-Baumwolle haben die Bauern auch in Burkina Faso gemacht. Das westafrikanische Land hatte früh auf Bt-Baumwolle gesetzt. Mangelnde Erträge, vor allem aber eine geringere Faserqualität der transgenen Baumwollpflanzen führten dazu, dass die Bauern wieder auf die konventionellen Sorten zurückgriffen.
Infodienst: Afrika: Abschied von der Gentechnik-Baumwolle? (01.02.2016)
Für indische Landwirte dagegen wird ein Ausstieg aus der Bt-Baumwolle immer schwieriger, da es kaum noch gentechnikfreies Saatgut gibt. Die Bio-Bauern, die ohne Gentechnik wirtschaften, bekamen immer öfter Ärger wegen gentechnisch verunreinigter Baumwolle. In einem zehnjährigen Projekt hat die im Bio-Baumwollanbau engagierte bioRe-Stiftung deshalb zusammen mit einer indischen Universität neue Bio-Baumwollsorten gezüchtet.
Jede*r Deutsche kauft jährlich 60 Kleidungsstücke. Ein T-Shirt wird beim Anbau mit rund 150 Gramm Pestiziden und Insektiziden belastet und fliegt einmal um die halbe Welt, bevor es im Geschäft landet. Weil die natürlichen Niederschläge nicht ausreichen und fast die Hälfte des Baumwollanbaus beregnet werden muss, verbraucht außerdem jedes T-Shirt etwa 2.000 Liter Wasser – nicht mitgerechnet das Wasser, das später zum Färben verwendet wird.
Mehr Infos: Greenpeace: Nachhaltigkeit ist tragbar, 2022
Da der konventionelle Anbau überwiegend gentechnisch veränderte Baumwollpflanzen verwendet, dominiert genmanipulierte Baumwolle in den Geschäften, ohne dass die Verbraucher*innen davon wissen. Ob dieT-Shirts und Jeans mit oder ohne Gentechnik hergestellt wurden, interessiert auch die wenigsten. Die viel beschworene Wahlfreiheit, die die Verbraucher*innen für ihr Essen einfordern, wird ihnen bei ihrer Kleidung nicht gewährt – und sie sind sich dessen zumeist nicht einmal bewusst.
Es ist auch kaum möglich, beim Kauf von Kleidung und Textilien auf Gentechnikfreiheit zu achten, Denn gentechnisch veränderte Baumwolle muss nicht gekennzeichnet werden. Ein Kennzeichnungssystem wie es für Lebens- oder Futtermittel in der EU existiert, gibt es für Baumwolle nicht. Es dürfte auch sehr schwer sein, ein solches System aufzubauen. Denn bisher können Textilhersteller den Ursprung ihrer Baumwolle nicht zurückverfolgen.
Die einzige Möglichkeit, beim Kauf von Kleidung und Textilien die Verwendung von gentechnisch veränderter Baumwolle auszuschließen, ist die Entscheidung für biologisch hergestellte Baumwolle. Denn wie bei der Produktion von Lebens- und Futtermitteln ist die Verwendung von Gentechnik beim Bioanbau von Baumwolle untersagt. Zertifizierer für Biobaumwolle achten darauf, dass nur gentechnikfreies Saatgut eingesetzt wird.
Bio-Baumwolle ist nicht nur gentechnikfrei, sondern kommt auch ohne Pestizide aus. Der Bioanbau versucht Schädlinge durch Fruchtfolgen und Mischfruchtanbau in Schach zu halten. Dabei werden zwischen zwei Baumwollreihen andere Pflanzen angebaut, die den Schädlingsdruck mindern. Da der Einsatz an Betriebsmitteln geringer und die Erlöse meist höher sind, rechnet sich die Biobaumwolle auch bei geringeren Ernten. Durch dauernde Bodenbedeckung, Fruchtfolge und den Einsatz organischen Düngers ist der Bioanbau klimaschonend, denn Kohlendioxid wird gebunden statt freigesetzt. Außerdem hält der Boden das Wasser besser, da die bedeckte Erde nicht so schnell austrocknet. Die größten Anbaugebiete für Bio-Baumwolle finden sich in Indien und der Türkei. Allerdings gibt es bei den Kontrollen in Indien seit Jahren immer wieder Probleme. Dadurch kann konventionelle Baumwolle in Bio-Textilien gelangen. Branchenkenner gehen davon aus, dass derzeit 50 bis 80 Prozent des Bio-Baumwollstoffs aus Indien nicht bio sind.
Ecotextile: Breaking point for organic cotton integrity (22.04.2022)
Die Siegel GOTS, IVN BEST und Naturland stehen für Textilien, bei denen Baumwolle und andere natürliche Fasern aus Bio-Anbau stammen. GOTS und IVN legen zudem auch an die Verarbeitung der Baumwolle strenge Kriterien an.
Zuletzt aktualisiert: Oktober 2022