Zum Stand der Forschung

Zwanzig Jahre nach dem Wissenschaftler*innen entdeckt hatten wie die DNA aufgebaut ist und welche Mechanismen sie hat, um sich zu vervielfältigen, gelingt es in den USA im Jahre 1973 erstmals, fremde Erbsubstanz in ein Bakteriengenom zu übertragen (transferieren). Doch die Vorstellung, dass nun Gene beliebig und gezielt übertragen werden könnten, über Artgrenzen hinweg und mit absehbarem Erfolg, bestätigt sich in der Praxis nicht.

Ausgangspunkt für gentechnische Forschung ist zunächst die Tatsache, dass der Grundstoff des Erbgutes (Genom) bei allen Lebewesen aus den gleichen Bausteinen aufgebaut ist. Bei jeder Zellteilung wird anfangs das gesamte Genom eines Lebewesens verdoppelt und anschließend so auf die beiden Tochterzellen verteilt, dass sie jeweils das gleiche Genom besitzen (identische Reduplikation). 

Gene sind zwar hintereinander (linear) auf der DNA angeordnet, man kann ihnen jedoch nicht einfach bestimmte Merkmale zuordnen. Ob und wann die Informationen auf den Genen ausgeprägt werden unterliegt einer Vielzahl an Faktoren: Ein Gen wird nicht in jedem Zelltyp ausgelesen und wann das Merkmal ausgeprägt wird, hängt von zahlreichen Einflüssen und Wechselwirkungen ab. Für Lebewesen ohne echten Zellkern (Prokaryoten) - Bakterien, wurde 1961 ein Modell vorgeschlagen („Operon-Modell“ von Jacob & Monod), wie die Aktivität der Gene gesteuert wird. Es geht davon aus, dass mit dem Gen, welches die Struktur des Eiweißes bestimmt (Strukturgen) weitere Gene zusammenwirken, welche die Strukturgene aktivieren oder deaktivieren. Diese Kontrollgene (Regulatorgene) bestehen aus einem Operator, der die Eiweißsynthese an- und abschaltet und einem Promotor, der für den Start und die Häufigkeit des Auslesens zuständig sind. Dieses Modell wurde in der genetischen Grundlagenforschung vielfach bestätigt. Die Genaktivität bei Eukaryoten (Lebewesen mit „echtem“ Zellkern, das heißt alle außer Bakterien) ist hingegen viel komplexer.

Genetische Grundlagenforschung

Im Folgenden werden einige Themenbereiche genannt, die Gegenstand der genetischen Grundlagenforschung waren und sind. Einigermaßen gesicherte Aussagen wie die genetischen Informationen bei Eukaryoten umgesetzt werden, bieten sie nicht:

  • Die Regulationsgene, die das eigentliche Gen an- und abschalten, müssen nicht in unmittelbarer Nachbarschaft des Gens, sondern können an unterschiedlichen Stellen im Genom liegen.
  • Die Genome einiger Lebewesen sind entschlüsselt und es hat sich gezeigt, dass die Anzahl der Gene wesentlich geringer ist als die Forscher erwartet hatten. Daraus schließt man z.B., dass gleiche Genabschnitte in verschiedenen und auch in gleichen Geweben unterschiedliche Funktionen haben können; werden Gene kopiert, das ist bekannt, können unterschiedliche Genabschnitte - Sequenzen (Introns) rausgeschnitten werden. So entsteht ein anderes Genprodukt, ein anderes Protein (Eiweiß) obwohl das gleiche Gen als Informationsquelle dient.
  • Da Gene sich unmittelbar oder durch ihre Genprodukte mit anderen Genen und deren Genprodukten austauschen (interagieren), kann mit relativ wenigen Genen eine riesige Informationsvielfalt entstehen.
  • Experimentelle Forschung an Drosophila (Taufliege) hat gezeigt: Während sich ein Embryo entwickelt steuern übergeordnete Kontrollgene (homöotische Gene) wie sich Zellen und Gewebe im Speziellen entwickeln. Dabei werden ganze Gengruppen nach einer bestimmten Hierarchie aktiviert oder gehemmt. Einige Befunde deuten darauf hin, dass es auch bei Säugetieren homöotische Gene gibt, die eine ähnliche übergeordnete Funktion wie bei den Insekten haben. Jedoch ist deren Anzahl, Sequenz und Lage im Genom noch nicht genau bekannt, ebenso wenig die genaue(n) Funktion(en) des jeweiligen Gens.
  • Der größte Teil der DNA wird bei eukaryotischen Genen überhaupt nicht abgelesen. Solche nicht-codierenden Abschnitte machen den Hauptteil des Erbgutes aus und liegen ebenso zwischen wie inmitten von codierenden Sequenzen. Manche ForscherInnen bezeichneten diesen Teil der DNA als „Junk-DNA“ oder „Müll-DNA“, weil man nichts damit anzufangen wusste. Inzwischen häufen sich die Hinweise, dass der „stumme“ Teil der DNA wichtige Funktionen für die Genregulation und das Evolutionsgeschehen trägt.
  • Darüber hinaus gibt es „springende Gene“ (Transposons); das sind kurze DNA-Abschnitte, die ihre Position auf einem Chromosom verändern können. Transposons können auch von Chromosom zu Chromosom springen und sich an unterschiedlichen Stellen des Genoms einfügen. Gesichert ist, dass sie Gensequenzen inaktivieren können. Sie sind in allen Organismenarten gefunden worden. Über ihre biologische Bedeutung wird noch spekuliert.
  • Das Forschungsgebiet der Epigenetik untersucht die Frage, welche verschiedenen biochemischen Prozesse das DNA-Molekül verändern, obwohl die Basenabfolge gleich bleibt. Offenbar verändert sich die DNA im Laufe der Entwicklung eines Lebewesens als Reaktion auf Umwelteinflüsse. Auch offen ist, inwieweit diese epigenetischen Veränderungen vererbt werden.

Dieser kurze und bei weitem nicht vollständige Einblick in die genetische Grundlagenforschung zeigt: Das Genom eines Lebewesens wird von einem sehr vielschichtigen System „regiert“, und auch Umweltfaktoren spielen eine große Rolle. Wenn in das Genom eines eukaryotischen Lebewesens gentechnisch eingegriffen wird, sind bei dem gegenwärtigen Stand der Forschung die Folgen überhaupt nicht realistisch abzuschätzen. Durch den gentechnischen Eingriff in das Genom wird ein funktionierendes System gestört. Abgesehen davon, dass die Forschung diese komplexen Zusammenhänge erst ansatzweise versteht, haben die GentechnikerInnen keinen Einfluss darauf, an welcher Stelle im Genom sich beim Übertragen der Gene die fremden Genabschnitte einbauen und wie oft diese kopiert werden. Auch ist nicht klar, welcher der Millionen Genorte der richtiger Ort wäre damit die gewünschte Eigenschaft tatsächlich ausgebildet wird, ohne gleichzeitig Schäden zu verursachen.

Weil sich fremde Genabschnitte häufig negative auf das Genom auswirken, stirbt ein Großteil der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in Folge der Genübertragung ab. Es handelt sich um ein „Versuch-Irrtum-Verfahren“ oder wie einmal eine Zeitung titelte: „Schlau ist man erst hinterher“. Das gilt für den Ort innerhalb des Genoms, an dem die zusätzliche genetische Information eingebaut wird aber auch für die Umwelt, in der sich das gentechnisch veränderte Lebewesen aufhält und mit der es sich austauscht.

Gentechnische Veränderungen von Bakterien

Die Verfahren zur gentechnischen Veränderung bei Bakterien sind am weitesten entwickelt. Neben den geringen Kosten für deren Kultur und die einfache Verfügbarkeit, hat das biologische Gründe: Das Genom von Bakterien ist relativ klein, es gibt keine nicht-codierenden Abschnitte und über die Regulierung der Genaktivität gibt es einige gesicherte Erkenntnisse. Vor allem aber können Bakterien auf natürliche Weise Gene untereinander austauschen (horizontaler Gentransfer).  

Der natürliche Gentransfer zwischen Bakterien ist möglich, weil bei ihnen ein Teil der Erbinformation auf sogenannten Plasmiden liegt (Plasmide sind kleine ringförmige DNA-Moleküle, die für kurze Zeit auch außerhalb des Bakteriums existieren können) und weil bestimmte bakterieneigene Enzyme die DNA an bestimmten Stellen aufschneiden (Restriktionsenzyme) oder verbinden (Ligasen) können. Da die „genetischen Scheren und Kleber“ bei jeder DNA funktionieren, kann man mit ihnen Gene aus Zellen von Pflanzen, Tieren und Menschen, deren Sequenz bekannt ist, ausschneiden, in Plasmide einbauen und die so veränderten Plasmide wieder auf Bakterienzellen übertragen.  

Warum macht man das? Vorausgesetzt, das fremde Gen wird in der Bakterienzelle abgelesen, kann man Bakterien beispielsweise benutzen, um ein bestimmtes Genprodukt in großen Mengen herzustellen. So werden insbesondere Enzyme für die Krankheitsdiagnostik und für Gentests hergestellt. Auch menschliche Proteine können von Bakterien produziert werden, wie Proinsulin, die Vorstufe des Insulins, das zur Blutzuckerregulation notwendig ist und das Diabetiker nicht selbst produzieren können. Ebenfalls können bestimmte Bakterien wie beispielsweise Agrobacterium tumefaciens eigene und, wenn gentechnisch verändert, fremde Gensequenzen auf Pflanzen übertragen.

Gentechnische Veränderungen bei Pflanzen

Da eukaryotische Genome – wie bereits ausgeführt wurde – wesentlich komplexer sind als prokaryotische, kann man aus dem Stand der Gentechnik bei Bakterien nicht schließen, was bei Pflanzen und Tieren möglich ist oder jemals möglich sein wird. Ebenso können Forschungsergebnissen zu Bakterien nicht auf Pflanzen oder Tiere übertragen werden.

Pflanzen haben eine besondere Fähigkeit. Aus Pflanzenzellen, die schon auf ihre künftige Aufgabe festgelegt (differenziert) sind, kann man unter geeigneten Wachstumsbedingungen eine ganze Pflanze ziehen (regenerieren). Diese Eigenschaft von Pflanzen macht man sich bei der Gentechnik zunutze.

Um die gewünschten Gene in Pflanzen zu übertragen, werden bisher hauptsächlich zwei Verfahren, angewendet. Welches der beiden Verfahren eingesetzt wird, hängt von der Pflanzenart ab. Beide zählen zu den „alten“ Gentechniken.

A. Genkanone bei Getreide
Bei Getreide und anderen einkeimblättrigen Pflanzen, außer Mais, wird DNA mit der sogenannten Genkanone direkt in die Zelle geschleust. Dafür werden Gold-, Platin- oder Wolfram-Bruchstücke mit den gewünschten Genabschnitten (Transgene) beschichtet und diese dann mit hoher Geschwindigkeit gleichzeitig auf Tausende Pflanzenzellen geschossen, die verändert werden sollen. Dieses ballistische Verfahren beruht auf der Möglichkeit, dass Gensequenzen innerhalb einer Zelle abgestreift werden und so in der Zelle verbleiben. Dies passiert jedoch nur in wenigen Fällen. Dann muss der eingeschleuste Genabschnitt in das Erbgut der Zelle eingefügt werden. An welche Stelle des Erbguts der Zielzelle der Genabschnitt eingebaut wird, kann nicht beeinflusst werden. Die Erfolgsquoten liegen im tausendstel Bereich.

B. Bakterien bei Soja, Raps und Baumwolle
Zweikeimblättrige Pflanzen wie Soja, Raps und Baumwolle werden mit Hilfe des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens gentechnisch verändert. Die Bakterie kann kleine, in sich geschlossene DNA-Moleküle sogenannte Plasmide bilden. Sie liegen außerhalb des Hauptgenoms. Da diese Plasmide bei den Pflanzen Zellwucherungen (Tumore) hervorrufen, werden sie als tumorinduzierte Plasmide bezeichnet. Diese Fähigkeit des Bakteriums machen sich die ForscherInnen zunutze: sie entfernen den Genabschnitt der den Tumor auslöst und bauen das gewünschte Fremdgen in das Plasmid ein, um das Transgen in die Ziel-DNA einzuschleusen. Auch bei diesem Verfahren besteht kein Einfluss darauf, ob und wenn ja, wo sich die Fremdgene in das Erbgut der Zielzelle einfügen.

Gefahr durch Antibiotika-Resistenzen
Um sehen zu können, ob das Transgen wirklich in die Zelle eingebaut wurde, müssen die wenigen gentechnisch veränderten Zellen von den sehr vielen nicht veränderten unterscheidbar sein. Zu diesem Zweck werden die Transgene mit einer weiteren Gensequenz einem sogenannten Markergen verbunden. Am häufigsten setzt die Forschung hierfür Antibiotika-Resistenzgene ein. Die gentechnisch veränderten Pflanzenzellen werden so gegen ein bestimmtes Antibiotikum widerstandsfähig gemacht.

Nach dem Gentransfer werden die Zellen dem speziellen Antibiotikum ausgesetzt. Es überleben nur diejenigen Zellen, die das Resistenzgen gegen das Antibiotikum in ihr Erbgut aufgenommen haben. Da die Gensequenzen für die Resistenz mit den Gensequenzen für die eigentlich gewünschte(n) Eigenschaft(en) verbunden sind, geht man davon aus, dass die Antibiotika-resistenten Zellen auch die weiteren Transgene besitzen.

Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Antibiotika-Resistenz-Gene durch natürlichen Gentransfer von Pflanzenzellen auf Bakterien übertragen werden. Auch die Bakterien würden widerstandsfähig (resistent) und könnten mit den sonst eingesetzten Antibiotika nicht mehr bekämpft werden. Es ist umstritten, wie wahrscheinlich ein horizontaler Gentransfer von Pflanzen auf Bakterien ist; Wissenschaftler haben jedoch gezeigt, dass Transgene von Pflanzen, deren Chloroplasten verändert wurden, auf ihre vergesellschafteten Bakterien übertragen wurden (Pontiroli et al. 2009).

Gentechnische Veränderungen und Klonen bei Säugetieren

Auch an vielen Tierarten forschen Wissenschaftler*innen - Tendenz steigend. Aufgrund erheblicher biologisch-technischer Probleme gibt es bislang jedoch nur einen gentechnisch veränderten Fisch in der praktischen Landwirtschaft. Die meisten transgenen Embryonen sterben ab. Während Bakterien überleben, wenn man Genabschnitte entfernt oder hinzufügt (am Erbgut ihrer Plasmide) kann bei Säugetieren nur Erbmaterial hinzugefügt werden. Dabei schließt das Erbmaterial Genabschnitte mit ein, welche Gene stilllegen – das sogenannte Gene-Silencing. Transgene Mäuse, die den Transfer menschlicher Wachstumshormon-Gene überlebt hatten wurden der Öffentlichkeit erstmals 1980 vorgestellt.

Mikromanipulation – hoher Aufwand, geringer Erfolg. Säugetiere werden für gewöhnlich mit der sogenannten Mikromanipulation gentechnisch verändert. Sie ist nur im Zusammenhang mit Fortpflanzungstechniken möglich, das heißt die Eizelle muss vor oder nach der Befruchtung aus dem Eileiter oder der Gebärmutter herausgeholt werden.

Wurde die Eizelle durch das Spermium befruchtet erfolgt direkt die Mikromanipulation: In den wenigen Stunden, in denen mütterliches und väterliches Erbgut zum Ein-Zell-Embryo verschmelzen, werden 500 bis 1.000 Kopien (gleiche Genabschnitte) in die Eizelle gespritzt, in der Hoffnung, dass sich eine (oder mehrere) dieser Gensequenzen zusätzlich in das Erbgut einfügen. Nur so ist die theoretische Voraussetzung dafür gegeben, dass bei den anschließenden Zellteilungen das eingefügte fremde Erbgut auch auf alle zukünftigen Zellen übertragen wird. Ein manipulierter Embryo wird, damit er reift, je nach Tierart und Forschungsstand in den Eileiter eines lebenden Tieres (in vivo) operiert oder im Glas (in vitro) kultiviert. Damit der gereifte Embryo weiterwachsen kann, wird er in die Gebärmutter eines sogenannten Empfängertieres gepflanzt, welches das transgene Tier zur Welt bringt. Damit der Embryo in seiner Leihmutter wachsen kann, wird das Empfängertier hormonell gleichgeschaltet (synchronisiert).

Bei transgenen Tieren sind fremde Genabschnitte in ihrem Erbgut eingebaut (erfolgte Insertion), unabhängig davon, ob die Geninformation auch ausgelesen wird (Expression). Dass das Erbgut tatsächlich verändert wird und das Tier überlebt, tritt weit weniger oft ein als gewünscht. Die „Erfolgsquoten“ der Mikromanipulation sind auch nach über 30 Jahren Forschung sehr überschaubar. Bei Mäusen sind es fünf von 100 Tieren, bei der die gentechnische Veränderung geklappt hat, bei Ziege und Schaf sind es zwei von hundert und bei Rindern gerade mal fünf von tausend Tieren.

Klonen– viele kranke Tiere, nur die wenigsten überleben. Obwohl an Millionen Tieren Versuche durchgeführt und enorm viele Embryonen verbraucht werden, konnten die sogenannten „Erfolgsquoten“ nicht verbessert werden. Es wird intensiv an Klon-Techniken geforscht. Mit ihrer Hilfe sollen die wenigen unter den transgenen Tieren, die überleben und über die gewünschten Eigenschaften verfügen, vervielfältigt werden.

Klonen fasst Techniken zusammen, die Lebewesen vermehren und vervielfältigen. Mit Klon-Techniken werden genetisch identische Exemplare eines Tieres geschaffen. Beim „klassischen“ Klonen werden die Zellen eines Embryos z. B. im 8-Zell-Stadium voneinander getrennt und in acht verschiedene „Muttertiere“ verpflanzt, so dass also in diesem Fall acht genetisch identische Tiere entstehen. Bei der unter dem Begriff „Dolly-Methode“ bekannt gewordenen Klontechnik sollen dagegen Klone von bereits erwachsenen Tieren hergestellt werden. Damit könnte man dann von einem erwachsenen Tier, bei dem sich der Gentranfer als „erfolgreich“ herausgestellt hat, viele identische Exemplare schaffen.

Das Schaf Dolly war 1996 durch Kerntransfer (Somatic Cell Nuclear Transfer – SCNT) entstanden. – Dafür wurde mehr als ein Jahrzehnt an Tausenden Embryonen geforscht. Der Versuch den Zellkern einer Euterzelle eines ausgewachsenen Schafes in eine Eizelle eines anderen Schafes einzufügen wurde an 273 Embryonen getestet. Die übliche Formulierung, Dolly sei aus 273 Embryonen entstanden, ist also sachlich richtig, aber dennoch irreführend. Sie lässt den Eindruck entstehen, nur 273 Embryonen wären für die Entwicklung von Dolly ausreichend gewesen.

Dass beim Kerntransfer die meisten Klone vor der Geburt absterben und viele missgebildet zur Welt kommen, liegt daran, dass die Regulierung der Genaktivität unbeabsichtigt gestört ist (siehe oben). Selbst die wenigen lebensfähigen Klontiere altern vorzeitig, möglicherweise aufgrund verkürzter Telomere (das sind die Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden). Hinzu kommen Krankheiten bei den wenigen Überlebenden, die zwar bei der Geburt gesund aussehen, später aber schwer erkranken. Denn Immunschwäche, Lungenversagen, Leber- und Nierenverhärtungen, Krankheiten des Herzmuskels, Fettleibigkeit und Blutarmut zählen zu den möglichen und tatsächlich auch sehr häufigen Folgen des Klonens.

Dennoch fasst die europäische Zulassungsbehörde EFSA im Jahr 2008 zusammen: „Obwohl die Sterblichkeits- und Erkrankungsrate von Klonen signifikant höher ist als die, die bei durch normale Fortpflanzung reproduzierten Tieren beobachtet wurde, lassen gesunde Klone und ihre Nachkommen darauf schließen, dass die Technologie des somatischen Zellkerntransfers (SCNT) bei Rindern und Schweinen erfolgreich als Reproduktionsmethode eingesetzt werden kann. Auf der Grundlage einer Reihe von Parametern, einschließlich physiologischer und klinischer, weisen gesunde Klone und ihre gesunden Nachkommen keine signifikanten Unterschiede gegenüber konventionell erzeugten Tieren auf.“ Quelle: EFSA (2008), Quelle: Idel (2009): Science oder Fiction? 25 Jahre Klonforschung an Tieren – aktueller Stand und Perspektiven. In: Der kritische Agrarbericht 2009, 221-227, hier: S. 224 Dieses Resümee vernachlässigt die oben genannten Tatsachen. Es ignoriert, dass es sich bei den überlebenden Klonen um Unikate – Einzeltiere wie Dolly – handelt und dass den betroffenen Tieren Leid zugefügt wird – für eine Forschung mit äußerst zweifelhaftem Ziel.

Neue Gen-Techniken und Synthetische Biologie

Die neuen Gentechniken können Organismen von Grund auf umgestalten und betreffen mehr Bereiche als bisher. Daher stellen sich Wissenschaftler im Vergleicht zu den „alten“ Techniken zusätzliche fachliche, juristische und ethisch Fragen. Neue Gentechniken nutzen oft natürliche Reparaturmechanismen der Zelle, um das Genom zu verändern. Einige der Techniken bekommen unter dem Sammelbegriff "Genome Editing" immer mehr Aufmerksamkeit.

Hierzu zählt auch CRISPR, der Star unter den neuen Gentechniken. Als CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) werden sich auf bestimmte Weise wiederholende DNA-Abschnitte bezeichnet. Sie kommen bei verschiedenen Lebewesen, z.B. Bakterien vor, die damit fremde DNA als Eindringling erkennen und bekämpfen können.

Diese natürliche Reaktion nutzt die CRISPR-Cas-Technik. Cas ist ein Enzym, das die DNA an vorgegebenen Stellen schneiden und so das Erbgut verändern kann.  Unternehmen und Wissenschaftler erklären CRISPR-Cas für deutlich genauer als die "klassische" Gentechnik, die mit der sog. Gen-Kanone oder Agrobakterien arbeitet. Konzerne wie Dupont und Bayer/Monsanto haben erste „Produkte“ in der Entwicklung. Die neuen Techniken ermöglichen gezieltere und vielfache Veränderungen auf einmal, was zu noch radikaleren Eingriffen ins Erbgut führt. Sie können auch für Gene Drives genutzt werden, einer Methode mit denen künstlich verändertes Erbgut freilebender Tiere, besonders schnell vererbt wird. Das Risiko, dass sich Eigenschaften unkontrolliert verbreiten, ist hierbei besonders hoch.

Insgesamt geht es in den Laboren deutlich schneller zu als noch vor ein paar Jahren. Immer mehr Teilbereiche können digitalisiert und automatisiert werden. Experimente, die früher Wochen und Monate gedauert haben, können nun in Stunden oder Minuten durchgeführt werden.

Wissenschaftler beobachten, dass daher auch noch mehr Tiere gentechnisch verändert werden, Die Anzahl der Tierversuche mit gentechnisch veränderten Tieren steigt seit Jahren an. Jedes Jahr werden alleine in Deutschland etwa eine Million transgene Tiere „verbraucht“. Neue Technologien wie das systematische Ausschalten von Genen („knock-out“) oder der Einbau neuer synthetischer DNA („knock-in“) lassen die Zahlen immer weiter ansteigen. Zudem werden immer mehr Patente auf gentechnisch veränderte Versuchstiere erteilt. In Europa wurden bislang mehr als 1500 Patente auf Tiere vergeben– darunter sogar auf gentechnisch veränderte Schimpansen. Die Möglichkeit, Patente auf diese Tiere zu bekommen, schafft wirtschaftliche Anreize für weitere Tierversuche.

Mit Begriffen wie „Gene editing“ oder programmieren von Genen, wird bei den neuen Züchtungstechniken der Eindruck erweckt, die neuen Gentechniken seien treffsicher und die Erfolge vorhersehbar. Jedoch sind auch bei diesen Techniken lange nicht alle Fragen beantwortet. Auch bei den „neuen“ Gentechniken ist nicht klar, welchen Einfluss die gentechnischen Veränderungen auf die Genregulation haben. Wissenschaftler befürchten, dass es auch von diesen gentechnischen Pflanzen  nur wenige aufs Feld schaffen und nur sehr wenige der Gentechnik-Tiere gesund und überlebensfähig sein werden. Klar ist: fehlerhafte Schnitte in der Erbsubstanz können nicht verhindert und unbeabsichtigte DNA-Veränderungen können für Mensch wie Umwelt risikoreich sein. Gerade weil das Genom mit den neuen Techniken noch schneller und noch radikaler verändert werden kann ist besondere Vorsicht geboten.

Die neuen Techniken müssen daher wie die „alten“ nach dem Vorsorgeprinzip beurteilt werden. Auch diese gentechnisch veränderten Tiere und Pflanzen müssen auf ihr Risiko geprüft, ihr Verhalten in der Umwelt beobachtet (Monitoring) und ihre Produkte gekennzeichnet werden. Dies bestätigte der Europäische Gerichtshof im Juli 2018: Pflanzen und Tiere, die mit neuen Gentechnikverfahren in ihrem Erbgut verändert wurden, müssen auch als Gentechnik gehandhabt werden.

Als „extreme Form“ der Gentechnik beschreiben einige Forscher die Synthetischen Biologie, die künstliches Leben erschaffen soll. Bei dieser Methode werden nicht nur in der Natur vorkommende Gene vereinzelt und in einen Organismus eingebaut. Es wird mittels Computer-Software komplett neuer genetischer Code geschrieben und im Labor nachgebaut. Auch bei aktuellen CRISPR-Anwendungen werden bereits Gensequenzen künstlich hergestellt. Viele englische Publikationen zählen CRISPR zur Synthetischen Biologie. Eine gesellschaftliche Debatte wird derzeit so gut wie gar nicht geführt, gesetzliche Regelungen oder Kontrollen gibt es bisher nicht.

Thementext: Neue Technologie CRISPR

Bundesamt für Naturschutz (BfN): Hintergrundpapier zu Neuen Techniken (2017)

Tagesspiegel: Genschere schneidet auch ungezielt im Erbgut herum (29.05.2017)

Bioökonomie

Welche Art der Forschung die deutsche Regierung fördern will, um das Klima zu schützen, unsere Ressourcen zu schonen und unsere Ernährung zu sichern wollen Bundesforschungsministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium in einer gemeinsamen Strategie 2019 vorstellen. Der Blick richtet sich auf Digitalisierung und Nanotechnologie. Auch die im Jahre 2010 vorgestellte „Nationale Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030“ setzte auf technischen Fortschritt und Biotechnologie. Für sie wurden 2,4 Milliarden Euro bis Ende 2017 zur Verfügung gestellt. Um Fragen nachzugehen, wie die nachhaltige Bio-Landwirtschaft verbessert werden könnte, stellte die Bundesregierung 2017 gerade mal 20 Millionen Euro bereit und das obwohl sie den Anteil der Bio-Betriebe verdoppeln will.

Informationsdienst Gentechnik: Bioökonomie

Zuletzt aktualisiert: Oktober 2018

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