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Patente sollen Erfindungen schützen und erlauben es dem Patentbesitzenden, die Erfindung eine bestimmte Zeit, meist 20 Jahre, exklusiv auf dem Markt anzubieten. Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen können nicht erfunden und daher auch nicht patentiert werden. Dieser Grundsatz „Keine Patente auf Leben“ galt sehr lange. Doch mit dem Einzug der Gentechnik geriet er ins Wanken: Denn eine Technik, durch deren Eingriff etwas Neues, bisher nicht Dagewesenes entsteht, ist patentierbar. Allerdings greift diese Technik in Pflanzen, Tiere oder Mikroorganismen, also in etwas Lebendiges, ein und auch das Ergebnis ist lebendig – und wäre nicht patentierbar.
Nach einigem juristischen Hin und Her wurde 1980 in den USA erstmals ein Patent auf gentechnisch veränderte (gv) Mikroorganismen erteilt (der sogenannte Chakrabarty-Fall). In Europa gilt die Verabschiedung der EU-Richtlinie „Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen“ (98/44 EG) als Wendepunkt. Diese Biopatent-Richtlinie lässt ausdrücklich Patente auf Pflanzen, Tiere und genetische Ressourcen zu, bis hin zu Teilen des menschlichen Körpers. Seither sind einige tausend Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere ausgestellt worden. Doch das Europäische Patentamt (EPA) erteilt immer wieder auch auch Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere oder gewährt Gentechnikpatente, die auch natürliche Pflanzen umfassen. Grund dafür sind unklare Formulierungen und Schlupflöcher in der Biopatent-Richtlinie und im Europäischen Patentübereinkommen, das die Arbeit des EPA regelt. Mit den neuen gentechnischen Verfahren (NGT) wie Crispr/Cas nimmt diese Vielfalt an Patenten weiter zu (siehe hier)
Mit Hilfe der Patente auf gv-Pflanzen entwickelten einige große Pestizidhersteller mit der Agro-Gentechnik ein neues Geschäftsmodell. Sie kauften Pflanzenzüchter auf und entwickelten sich so zu den größten Anbietern an Saatgut. Die Krönung dieses Geschäftsmodells waren gentechnisch veränderte Pflanzen mit eingebauten Herbizidresistenzen, verkauft im Paket mit dem passenden Herbizid. Dieses Geschäftsmodell führte zu einer massiven Konzentration an Marktmacht. Nach den Fusionen der Jahre 2017 und 2018 teilen sich vier Konzerne (Bayer/Monsanto, BASF, Chem China/Syngenta, Corteva) 51 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes und 62 Prozent aller Pestizidumsätze. Dadurch geraten die Landwirt*innen in immer größere Abhängigkeit dieser Konzerne, die dies ausnutzen: Laut einem Bericht des US-Landwirtschaftsministeriums stiegen die durchschnittlichen Kosten fürs Saatgut in den USA von 1990 bis 2020 um 270 Prozent, für gv-Saatgut jedoch um 463 Prozent. Die Erlöse der Landwirte für ihre Ernten hätten dagegen nur um 56 Prozent zugelegt.
ETC Group, Food Barons, 2022
Informationsdienst Gentechnik: Dossier Gentechnik-Unternehmen
Gleichzeitig gehen die genetische Vielfalt auf dem Acker und auch die Anzahl der Pflanzensorten zurück. Hinzu kommt, dass Patente nicht auf das Saatgut und die Pflanzen beschränkt sind, sondern in vielen Fällen auch die aus der Ernte hergestellten Lebensmittel umfassen. Patentansprüche, die sich über die Ackerpflanze bis zur Margarine und dem Keks, oder vom Schwein bis zum Schnitzel erstrecken können, gefährden die Nahrungssicherheit, da sie wenigen Großkonzernen die Macht über die Lebensmittelproduktionskette überlassen. So hat etwa die Firma Monsanto, die inzwischen zu Bayer gehört, die Marke Beneforte eingeführt, um einen konventionell gezüchteten, patentierten Brokkoli mit besonders vielen gesunden Inhaltsstoffen zu vermarkten.
Greenpeace: Der Brokkoli-Fall (2015)
In der konventionellen Pflanzenzucht regelt der Sortenschutz die Rechte des Züchters. Er gilt nur für das Saatgut und für eine bereits gezüchtete Sorte. Andere Züchter dürfen mit dieser Sorte unentgeltlich weiterarbeiten, man nennt das Züchterprivileg. Landwirt*innen müssen eine Lizenzgebühr für den Nachbau zahlen, also dafür, dass sie Saatgut aus der Ernte aufheben und im nächsten Jahr wieder aussähen. Das Patentrecht dagegen schließt alle Pflanzen oder Tiere mit bestimmten Eigenschaften ein, die in der Zukunft gezüchtet werden könnten. Mit patentiertem Saatgut weiterzüchten darf nur, wer dafür eine Lizenz bekommt und Lizenzgebühren bezahlt. Die Patentansprüche umfassen oft auch dieselbe Eigenschaft in herkömmlichen Pflanzen und entziehen diese dadurch den anderen Züchter*innen. Das bedrohe die züchterische Freiheit und ersetze sie „durch ein System von neuen Abhängigkeiten, Kosten und Patent-Dickichten“, schreibt das Bündnis Keine Patente auf Saatgut! in seinem Bericht für 2024.
Nach dem Wortlaut der europäischen Patentgesetze dürfen Pflanzen und Tiere, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ stammen, das heißt aus einer Züchtung ohne Gentechnik, nicht patentiert werden. Doch mit einigen technischen Tricks schaffen es die großen Gentechnik- und Saatgutkonzerne immer wieder, dieses Verbot zu umgehen und sich konventionell gezüchtete Pflanzen patentieren zu lassen.
Ein Einfallstor dafür ist die zufällige Mutagenese: In der konventionellen Züchtung wurde Saatgut oft bestrahlt oder mit Chemikalien behandelt, um zufällige genetische Veränderungen (Mutationen) zu erzeugen. Das so behandelte Saatgut wurde angebaut und auf dem Acker zeigte sich dann, ob diese zufällige Mutagenese zu interessanten neuen Merkmalen, etwa größeren Körnern, geführt hatte. Mit solchen Pflanzen arbeiteten die Züchter*innen dann weiter. In den letzten Jahrzehnten wurden immer mehr Pflanzengenome entschlüsselt und mit Genomsequenzierung analysiert. Mit diesen Techniken lässt sich genau beschreiben, welche Gene für welche Eigenschaften verantwortlich sind. Das Erbgut ändert sich dabei nicht. Doch in den Patentschriften lassen sich die Firmen nicht nur die eingesetzten Analysetechniken schützen, sondern auch die beschriebenen Genabschnitte mit den erwünschten Eigenschaften. Sie tun also so, als hätten sie das, was sie vorgefunden und beschrieben haben, selbst erfunden. Ein Trick, den das EPA immer noch durchgehen lässt. Neue gentechnische Verfahren machen es zudem möglich, zufällige Mutationen nachzubauen. Diese etwa mit Crispr/Cas herbeigeführten gezielten Mutationen können patentiert werden – und die gleichartige natürlich entstandene Genvariante gleich mit.
Patente sind nicht auf das Saatgut und die Pflanzen beschränkt, sondern erstrecken sich in vielen Fällen über die Ernte bis hin zum Lebensmittel. Patentansprüche, die sich über die Ackerpflanze bis zur Margarine und dem Keks, oder vom Schwein bis zum Schnitzel erstrecken können, gefährden die Nahrungssicherheit, da sie wenigen Großkonzernen die Macht über die gesamte Lebensmittelproduktionskette überlassen. Konzerne wie Monsanto und Syngenta haben ein klares Interesse, an der Kasse im Lebensmittelmarkt mitzuverdienen. Die Firma Monsanto hat beispielsweise eine eigene Marke („Beneforte“) gegründet, um patentierten Brokkoli zu vermarkten. Der Sortenschutz beinhaltet nicht das Recht, Lebensmittel zu vermarkten. Er gilt nur für das Saatgut und für eine bereits gezüchtete Sorte. Das Patentrecht hingegen schließt alle Pflanzen oder Tiere mit bestimmten Eigenschaften ein, die in der Zukunft gezüchtet werden könnten.
Ferner ist zu beobachten, dass sich der Saatgutbereich beispiellos konzentriert. Einzelne Konzerne werden dabei immer mächtiger. 2017 entstand der weltgrößte Chemiekonzern mit dem Namen Dow-DuPont, einem Zusammenschluss der Konzerne DuPont und Dow AgroSciences. Außerdem übernahm der chinesische Staatskonzern ChemChina den Schweizer Saatguthersteller Syngenta. Dem Antrag des deutschen Chemieriesen Bayer, die amerikanische Firma Monsanto zu kaufen, hat die EU-Kommission im April 2018 grünes Licht gegeben. Zusammen kontrollieren diese drei Konzerne mehr als 50 Prozent des weltweiten Marktes für kommerziell gehandeltes Saatgut.
Auch neue Gentechnik Verfahren, wie das Gene-Editing (Gen-Chirurgie) tragen dazu bei, dass sich die Branche immer mehr verdichtet. Patentiert werden sowohl die Verfahren , als auch die damit manipulierten Pflanzen und Tiere. Konzerne wie Bayer, Monsanto, BASF, Syngenta und DuPont haben längst Verträge mit den Erfindern der beim Gene-Editing eingesetzten Gen-Scheren vom Broad Institute USA und der Universität von Kalifornien geschlossen, um deren Patente zu nutzen. Für spezielle Anwendungen beantragen die Konzerne dann weitere Patente. Zum Beispiel meldet Dow AgroSciences systematisch Patente auf natürlicherweise vorkommende DNA-Sequenzen im Erbgut von Pflanzen an, die besonders für den Einsatz von sogenannten DNA-Scheren (Nukleasen) geeignet sein sollen. Andere Patentanmeldungen beziehen sich auf Anwendungen wie die Erzeugung von Herbizidresistenzen, verändertes Wachstum, veränderte Inhaltsstoffe oder auch auf bestimmte technische Variationen beim Einsatz der Nukleasen.
In der Tierzucht werden die neuen Verfahren ebenfalls immer häufiger eingesetzt. Genus, einer der größten Zuchtkonzerne landwirtschaftlicher Nutztiere, hat bereits angekündigt, Tiere nutzen zu wollen, die aus Gene-Editing hervorgehen. Er arbeitet dabei mit Firmen wie Recombinetics zusammen, die systematisch Patente auf Schweine und Rinder anmelden.
Patentanträge auf gentechnisch veränderte Tiere sind ein deutliches Zeichen dafür, dass Konzerne und Investor*innen bereit sind, aus Tierleid ein Geschäft zu machen. Von den Patenten geht ein wirtschaftlicher Anreiz aus und lässt vermuten, dass Tierversuche deutlich ansteigen werden. Erhalten Firmen ein Patent, stehen sie unter dem Druck, es zu vermarkten. Die Laufzeit eines Patents beträgt 20 Jahre. In diesem Zeitraum soll das patentierte „Produkt“ gewinnbringend verwertet werden. Trotz aller ethischer Vorbehalte und einschlägiger Verbote in den Patentgesetzen hat das Europäische Patentamt bereits eine große Anzahl von Patenten auf Gentechnik-Tiere und deren Verwendungen erteilt. Bis 2017 lag sie bei mehr als 1500, die Zahl der registrierten Anmeldungen sogar bei 5000. 2015 hatte das Europäische Patentamt sogar Einsprüche gegen ein Patent auf gentechnisch veränderte Schimpansen zurückgewiesen.
Unter den Patentanmeldern finden sich neben Konzernen wie Hoffmann-La Roche, Pfizer, Novartis oder spezialisierten Firmen wie Recombinetics und Intrexon auch Forschungseinrichtungen, die vom deutschen Steuerzahler finanziert werden: Die Max-Planck-Gesellschaft hält ein Patent auf Primaten, die an Parkinson-ähnlichen Symptomen leiden sollen. Dass im Zusammenhang mit den neuen Gentechnik-Verfahren wieder vermehrt Patente auf gentechnisch veränderte Nutztiere angemeldet wurden, unterstreicht die Sorge nach noch mehr Tierleid . Die Gentechnik-Tiere sollen beispielsweise mehr Milch geben oder schneller wachsen und an die wirtschaftlichen Interessen der industriellen Massentierhaltung angepasst werden.
Da sich das Patent-Geschäftsmodell bei der Gentechnik bewährt hat, versuchen die Konzerne zunehmend, auch für konventionell gezüchtete Tiere und Pflanzen Patentschutz zu erhalten. (Then & Tippe, 2016) Bei der konventionellen Züchtung liegen dem Patent Merkmale wie Wuchs, erhöhter Gehalt natürlicher Inhaltsstoffe oder verbesserte Resistenzen gegenüber Schädlingen zu Grunde. Das EPA hat bereits rund 200 derartiger Patente erteilt.
Doch nach dem Wortlaut der europäischen Patentgesetze dürfen Pflanzen und Tiere, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ stammen, das heißt aus einer Züchtung ohne Gentechnik, nicht patentiert werden. Im Juni 2017 hat der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes (EPA), dem die Regierungen der 38 Mitgliedsstaaten angehören, beschlossen, dieses Verbot zu stärken und in Zukunft bestimmte Patente nicht mehr zu erteilen. Gleichzeitig wurden aber neue Schlupflöcher geschaffen, um die Verbote zu umgehen. So geht aus dem Beschluss hervor, dass künftig Patente dann verweigert werden, wenn Pflanzen oder Tiere unmittelbar aus einer klassischen Züchtungsmethode wie Kreuzung und Selektion entstehen. Ist eine bestimmte Eigenschaft schon im Erbgut verankert, die beispielsweise aus zufälligen Mutationen stammt, laufen die Verbote ins Leere. Insgesamt ist in Zukunft damit zu rechnen, dass Patente für konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere zunehmen werden.
Gilt das Patent für eine Pflanze mit einem bestimmten Züchtungsmerkmal, sind alle Pflanzen mit diesem Merkmal automatisch auch durch das Patent geschützt. Dabei spielt es dann keine Rolle, ob die Pflanze selbst gezüchtet oder gentechnisch verändert wurde. Damit kommt das Patentamt den Wünschen der Industrie entgegen. Sie fordert, dass Pflanzen und Tiere immer dann patentierbar sein sollen, wenn deren genetische Eigenschaften im Detail beschrieben werden, unabhängig davon, wie diese Eigenschaften entstanden sind.
Ein Beispiel für Patente, die auch in Zukunft erlaubt sein sollen, sind Patente der Brauereikonzerne Carlsberg und Heineken. Diese erhielten 2016 Patente auf Gerstenpflanzen, deren Körner nach dem Zufallsprinzip erzeugte Mutationen enthalten. Das Patent umfasst die Gerste, den Vorgang des Bierbrauens und das mit dieser Gerste hergestellte Bier. Gegen die Patente haben zahlreiche Nichtregierungsorganisationen Einspruch eingelegt. Geht es nach dem Beschluss des Verwaltungsrates, werden diese Patente wohl nicht widerrufen werden.
Bisher durften Sorten, die auf dem Markt waren, weiter gezüchtet werden. So ist es im Sortenschutz geregelt. Patentierte Sorten darf ein Züchter hingegen nur dann weiter entwickeln, wenn er einen Vertrag mit dem Patentinhaber schließt. Das Patentrecht geht also weit über den Sortenschutz hinaus, bei dem der Züchter zwar Nachbaugebühren erheben, aber die weitere Züchtung und den Wettbewerb nicht behindern darf.
Die internationale Koalition „Keine Patente auf Saatgut!“ setzt sich gemeinsam mit vielen anderen Organisationen dafür ein, dass Patente auf Pflanzen und Tiere grundsätzlich verboten werden. 2017 wurden mehr als 800.000 Unterschriften am EPA übergeben, 60.000 Personen beteiligten sich an einem Masseneinspruch gegen ein Patent auf Tomaten des Konzerns Syngenta.
Einsprüche waren in vielen Fällen erfolgreich. Auch der Beschluss des Verwaltungsrates des EPA geht ursprünglich auf eine Initiative dieser Organisationen zurück – auch wenn er letztlich nicht weit genug geht. Diese Kontroverse wird also auch in Zukunft andauern.
Zuletzt aktualisiert: November 2018