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Österreich hat den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen erfolgreich verhindert. Der Grund für dieses entschlossene politische Handeln war ein eindeutiges Votum der Bevölkerung.
1996 kamen die ersten gentechnisch veränderten Sojabohnen aus den USA nach Österreich und das Thema erreichte schnell große Aufmerksamkeit. Vier Organisationen - die katholische ARGE Schöpfungsverantwortung, die österreichische Bergbauernvereinigung, der Tierschutzverein Vier Pfoten und die Koordinationsstelle österreichischer Umweltorganisationen - initiierten ein Gentechnik-Volksbegehren. Es wurde von den großen Umweltorganisationen Greenpeace, Global 2000 und WWF, aber auch von Medien und Unternehmen stark unterstützt. Das Volksbegehren hatte drei Forderungen:
Von 7. bis 14. April 1997 unterschrieben 1.225.790 Menschen das Volksbegehren, das waren 21 Prozent der Wahlberechtigten. Es war das zweiterfolgreichste Volksbegehren in Österreich. In einem Volksbegehren aufgestellte Forderungen müssen vom Nationalrat zwar behandelt, aber nicht zwingend umgesetzt werden. Doch der Nationalrat änderte im Sommer 1997 das Gentechnikgesetz und kam den Anliegen des Volksbegehrens so entgegen. Weitaus größer war die politische Wirkung: Österreich wurde zu einem der gentechnik-kritischsten Staaten Europas. Auch die erfolgreiche österreichische Ohne Gentechnik – Kennzeichung ist eine direkte Folge des Volksbegehrens.1
Das 1994 erlassene und mehrfach geänderte österreichische Gentechnikgesetz (GTG) setzt die rechtlichen Vorgaben der EU um. Es bestimmt die dafür zuständigen Behörden und regelt zahlreiche Details. Dazu gehört, unter welchen Bedingungen Wissenschaftler*innen im Labor mit gentechnisch veränderten Organismen arbeiten dürfen, und wann Anbauversuche im Freien (Freisetzungsversuche) erlaubt sind. Das Gesetz wurde im Laufe der Jahre mehrfach um Bestimmungen ergänzt, die den Anbau von in der EU zugelassenen Gentech-Pflanzen erschweren sollten. So enthält das GTG klare Regelungen, wer dafür haftet, wenn in die Umwelt freigesetzte gentechnisch veränderte Organismen (GVO) Schäden verursachen.2
Die Bundesländer verabschiedeten 2005 Gentechnik-Vorsorgegesetze, die strikte Regeln für ein Nebeneinander von gentechnikfreier und GVO-einsetzender Landwirtschaft aufstellten (Koexistenz) – mit dem Ziel, Verunreinigungen von gentechnikfreien Pflanzen zu verhindern. Diesem Ziel diente auch die im gleichen Jahr verabschiedete Saatgut-Anbaugebiete-Verordnung, mit der ein Anbau von gv-Pflanzen in großflächigen Gebieten verboten werden kann, in denen Saatgut vermehrt wird.
Parallel dazu hatte Österreich bereits von 1997 an für mehrere gentechnisch veränderte Mais- und Rapslinien den Import von Saatgut für den Anbau verboten - gegen den Widerstand der EU-Kommission und der Welthandelsorganisation WTO. Inzwischen hat Österreich nach der 2015 beschlossenen EU-Regelung zum Opt-Out das Staatsgebiet vom Anbau von gv-Pflanzen ausnehmen lassen. In der EU für den Anbau zugelassene gv-Pflanzen wie der Mais MON 810 dürfen damit auch in Zukunft in Österreich nicht angebaut werden.3, 4
Ein gutes Beispiel für den parteiübergreifenden Willen zur Gentechnikfreiheit ist ein 2008 im Nationalrat einstimmig verabschiedeter Entschließungsantrag über die Erhaltung des gentechnikfreien Anbaus in der österreichischen Landwirtschaft.5
Im Juli 2018 entschied der Europäische Gerichtshof, dass auch neue gentechnische Verfahren wie CRISPR/Cas nach dem EU-Gentechnikrecht zugelassen und gekennzeichnet werden müssen. Die österreichische Regierung teilt diese Position und lehnt eine Aufweichung des EU-Gentechnikrechts in diesem Punkt ab. Ein entsprechender Entschließungsantrag im Parlament soll im Sommer 2019 in den Ausschüssen diskutiert werden.6 Es gibt allerdings auch andere Positionen zu den neuen Gentechnikverfahren: Bei den Parteien setzen sich die Liberalen (Neos) dafür ein, mit CRISPR/Cas erzeugte Produkte einfacher zuzulassen, als es das Gentechnikrecht vorschreibt. Auch Wissenschaftler*innen und Pflanzenzüchter*innen sprechen sich dafür aus.
Fazit: In Österreich wurden bisher keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut – weder in der Landwirtschaft noch bei wissenschaftlichen Versuchen. Fünf Anträge für Anbauversuche im Freien, die zwischen 1996 und 1998 gestellt worden waren, wurden nie in die Praxis umgesetzt.
Österreich hatte Anfang Juli 2019 als erster EU-Staat den Einsatz von Glyphosat in der Landwirtschaft verboten. Doch das Verbot konnte wegen eines formalen Fehlers nicht wie geplant Anfang 2020 in Kraft treten: Die Regierung hatte nicht wie vorgeschrieben einen Entwurf an die EU-Kommission geschickt, sondern das fertige Gesetz. Das Parlament übermittelte daraufhin einen neuen Entwurf, den die EU-Kommission im August 2020 kommentierte7. Sie hält das nationale Verbot für nicht vereinbar mit dem EU-Recht. Während die ÖVP und der Bauernverband dies als Untersagung werteten, argumentierten die Glyphosatgegner, dass es sich bei dem Schreiben der Kommission um eine kritische Bemerkung, nicht aber um eine rechtlich relevante Stellungnahme handle. Ein Verbot sei also zulässig, die Hersteller könnten dagegen klagen, falls sie das anders sähen. In dieser Patt-Situation will das österreichische Umweltministerium nun einen Ausstiegsplan erarbeiten, der ohne Verbot auskommt.
Die dem Umweltministerium unterstehende Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) hält das Verbot für rechtswidrig und sieht auch keine Gefährdung der Artenvielfalt durch Glyphosat. Ihren Angaben zufolge wurden in Österreich im 10-jährigen Durchschnitt etwa 329 Tonnen Glyphosat pro Jahr verkauft, das entspreche einem Viertel aller herbizider Wirkstoffe. Angewendet werde Glyphosat auf etwa neun Prozent der österreichischen Ackerfläche8. Die AGES ließ eine Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg erarbeiten, die vor allem die damit verbundenen Probleme thematisierte.9
In Österreich hat sich unter Führung der Umweltorganisation Global 2000 ein starker zivilgesellschaftlicher Widerstand gegen die Anwendung von Glyphosat etabliert. Bereits 2013 legte Global 2000 Analysen von Glyphosat im Harn von Menschen vor. Auf den steigenden öffentlichen Druck hin verbot das Parlament 2016 den Einsatz von Glyphosat zur Ernteerleichterung (Sikkation). Im November 2017 stimmte Österreich auf EU-Ebene gegen eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat.10
Das in Österreich ausgebrachte Saatgut wird jedes Jahr in Stichproben auf Verunreinigungen mit gentechnisch verändertem Saatgut untersucht. Dazu beprobte die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) 2019 58 Saatgutpartien von Mais, 21 von Sojabohnen und sechs von Raps. In keiner Probe fanden sich gv-Spuren, die bis zu einer Grenze von 0,02 Prozent nachgewiesen werden konnten. Die Saatgut-Gentechnik-Verordnung sieht vor, dass in Österreich gentechnikfreies Saatgut einen Grenzwert von 0,1 Prozent für zufällige oder technisch nicht vermeidbare GVO-Verunreinigungen einhalten muss.11
Gesetze und Verordnungen der EU
Zeitleiste des Widerstands gegen Gentechnik
Das Spritzmittel Glyphosat
1 Der Text des Volksbegehrens und das Wahlergebnis
2 Das österreichische Gentechnikgesetz, konsolidierte Fassung
4 Kommunikationsplattform VerbraucherInnengesundheit: Landesgesetze zur Gentechnik
5 Entschließungsantrag über den Erhalt des gentechnikfreien Anbaus (2008)
6 Entschließungsantrag über die Kennzeichnung der Neuen Gentechniken (2018)
8 AGES: Verbraucher*innen-Information zu Glyphosat (04.07.2019)
9 AGES: Machbarkeitsstudie zum Ausstieg von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln (01.07.2019)
Zuletzt aktualisiert: Oktober 2020